German
Fairy Tales
Der
goldene
Vogel
Edited
by Eugene R. Moutoux
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"Der
König versammelte seinen Rat, und jedermann erklärte, eine
Feder wie diese sei mehr wert als das gesammte Königreich." |
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armselig
- poor, wretched
einkehren
- put up, stop (at an inn)
ergehen (erging, ergangen)
- fare; es erging
ihm gut (schlecht) - things went well (poorly) with him
erleuchten
- illuminate
e Feder (-n)
- feather
fortsetzen
- continue
r Fuchs (¨-e)
- fox
gegenüberstehen (a, a) (sep., w/ dat.)
- stand opposite
jedermann
- everyone
|
r
Jüngling (-e) - young man
e Klugheit - cleverness, intelligence
kostbar - expensive
r Mondschein - moonlight
r Narr (-en, -en) -
fool
sich niederlassen (ä; ie, a) - settle; alight; sit down
r Pfeil (-e)
- arrow
rauschen - rush; rustle
e Reihe (-n)
- row; series
ich bin an der Reihe - it's my turn
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r
Schwanz (¨-e)
- tail
e Strecke (-n) - stretch;
distance
sich verlassen auf (ä; ie, a) (w/
acc.) - rely on
vernünftig - reasonable
versammeln - assemble
wert sein (w/ acc.) - be worth
s Wirtshaus (¨-er) - inn
zielen auf (w/ acc.) - aim at
zutrauen (jdm. etw.) - believe (a
person) capable of (a thing)
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Es war vor Zeiten ein König, der einen schönen
Lustgarten hinter seinem Schloß hatte; darin stand ein Baum,
der goldene Äpfel trug. Als die Äpfel reiften, wurden sie gezählt,
aber gleich den nächsten Morgen fehlte einer. Das wurde dem König
gemeldet, und er befahl, daß alle Nächte unter dem Baume Wache
sollte gehalten werden.
Der König hatte drei Söhne; den ältesten
schickte er bei einbrechender Nacht in den Garten. Wie es aber
Mitternacht war, konnte er sich des Schlafes nicht wehren, und
am nächsten Morgen fehlte wieder ein Apfel. In der folgenden
Nacht mußte der zweite Sohn wachen, aber dem erging es nicht
besser: als es zwölf Uhr geschlagen hatte, schlief er ein, und
morgens fehlte ein Apfel.
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vor
Zeiten: in former times
/ Lustgarten: pleasure garden
/ reiften: ripened / bei einbrechender Nacht: at dusk
/ sich des Schlafes wehren: keep from falling asleep
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Jetzt kam die Reihe zu wachen an den dritten
Sohn. Er war auch bereit, aber der König traute ihm nicht viel
zu und meinte, er würde noch weniger ausrichten als seine Brüder;
endlich aber gestattete er es doch. Der Jüngling legte sich
also unter den Baum, wachte und ließ den Schlaf nicht Herr
werden.
Als es zwölf schlug, so rauschte etwas durch die Luft, und
er sah im Mondschein einen Vogel daherfliegen, dessen Gefieder
ganz von Gold glänzte. Der Vogel ließ sich auf dem Baume
nieder und hatte eben einen Apfel abgepickt, als der Jüngling
einen Pfeil nach ihm abschoß. Der Vogel entflog, aber der Pfeil
hatte sein Gefieder getroffen,
und eine seiner goldenen Federn fiel herab. Der Jüngling hob
sie auf, brachte sie am andern Morgen dem König und erzählte
ihm, was er in der Nacht gesehen hatte.
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kam
die Reihe an den dritten Sohn:
it was the third son's turn
/ ausrichten: accomplish
/ gestattete: permitted
/ Herr: master
/ daher (prefix): along
/ Gefieder: plumage / abgepickt: picked
/ abschoß: let fly / entflog: flew away
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Der König versammelte seinen Rat, und
jedermann erklärte, eine Feder wie diese sei mehr wert als das
gesammte Königreich. "Ist die Feder so kostbar", erklärte
der König, "so hilft mir auch die eine nichts, sondern ich
will und muß den ganzen Vogel haben."
Der älteste Sohn machte sich auf den Weg,
verließ sich auf seine Klugheit und meinte den goldenen Vogel
schon zu finden. Wie er eine Strecke gegangen war, sah er an dem
Rande eines Waldes einen Fuchs sitzen, legte seine Flinte an und
zielte auf ihn. Der Fuchs rief: "Schieß mich nicht, ich
will dir dafür einen guten Rat geben. Du bist auf dem Weg nach
dem goldenen Vogel, und wirst heut abend in ein Dorf kommen, wo
zwei Wirtshäuser einander gegenüberstehen. Eins ist hell
erleuchtet, und es geht darin lustig her; da kehr aber nicht ein,
sondern geh ins andere, wenn es dich auch schlecht ansieht."
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Rat:
council
/ gesammte: entire
/ meinte...schon zu finden: thought that he would finden
...
/ legte seine Flinte an: leveled his rifle
/ es geht darin lustig her: there are merry goings-on there
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"Wie
kann mir wohl so ein albernes Tier einen vernünftigen Rat
erteilen!" dachte der Königssohn und drückte los, aber es
fehlte den Fuchs, der den Schwanz streckte und schnell in den
Wald lief. Darauf setzte er seinen Weg fort und kam abends in
das Dorf, wo die beiden Wirtshäuser standen; in dem einen wurde
gesungen und gesprungen, das andere hatte ein armseliges betrübtes
Ansehen. "Ich wäre wohl ein Narr", dachte er, "wenn
ich in das lumpige Wirtshaus ginge und das schöne liegen ließe."
Also ging er in das lustige ein, lebte da in Saus und Braus, und
vergaß den Vogel, seinen Vater und alle guten Lehren. |
albern:
silly / erteilen: give
/ drückte los: pulled the trigger
/ fehlte: missed (only in this sense can
fehlen be used
transitively) / betrübt: sad
/ lumpig: shabby / liegen ließe: passed up
/ lebte in Saus und Braus:
reveled and rioted / Lehren: precepts
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Beantworten
Sie die folgenden Fragen!
1. Was stand in dem Lustgarten hinter dem Schloß des
Königs?
2. Wodurch wußte man, daß ein Apfel
fehlte?
3. Wen schickte der König zuerst in den
Garten?
4. Warum hatte dieser keinen Erfolg?
5. Warum erfuhr der zweite Sohn auch nichts?
6. Warum wollte der König den dritten Sohn anfangs
nicht in den Garten schicken?
7. Was sah der dritte Sohn um zwölf Uhr?
8. Wie bekam der dritte Sohn eine goldene Feder?
9. Wie wertvoll war diese Feder?
10. Was wollte der König noch haben?
11. Warum machte sich der älteste Sohn auf den Weg?
12. Was sah er am Rande des Waldes sitzen?
13. Was sagte der Fuchs, als der Bruder die Flinte anlegte?
14. Welchen Rat gab der Fuchs dem Königssohn?
15. Was hielt der Königssohn von dem Rat des Fuchses?
16. Warum lief der Fuchs weg?
17. Wohin kam abends der Königssohn?
18. Welches Wirtshaus wählte er?
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achten
- respect; abide by; achten auf (w /acc.) - pay attendion
to
anlangen
- arrive
ausstrecken
- stretch out
e Bedingung (-en)
- condition
bekennen (bekannte, bekannt)
- confess; admit
erschallen
- sound, resound
s Gefängnis (-se)
- prison, jail
gerade(s)wegs
- directly, straight
gering
- little; modest; inferior
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hineinstürzen
- rush in, burst in
hölzern - wooden
r Jubel - jubilation, rejoicing
r Käfig (-e) - cage
kaum - scarcely
sich kümmern (um) - worry (about)
lächerlich -
ridiculous
mitten durch - (adv.) right through
nebenan - (adv.) close by; next door
obendrein - (adv.) over and above, besides
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schlimm
- bad; serious; severe
r Schrei (-e) - cry, scream
r Soldat (-en, -en) - soldier
umherliegen (a, e) - lie around
s Unglück - bad luck, misfortune
vergeblich - vain, useless; of no
avail
widerstehen (widerstand, widerstanden) (w/ dat.)- resist
wiederum - again
zulassen (läßt zu; ie, a) - allow; admit
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Als
eine Zeit verstrichen und der älteste Sohn immer nicht nach
Haus gekommen war, so machte sich der zweite auf den Weg und
wollte den goldenen Vogel suchen. Wie dem ältesten begegnete
ihm der Fuchs und gab ihm den guten Rat, den er nicht achtete.
Er kam zu den beiden Wirtshäusern, wo sein Bruder am Fenster
des einen stand, aus dem der Jubel erschallte, und ihn anrief.
Er konnte nicht widerstehen, ging hinein und lebte nur seinen Lüsten.
Wiederum verstrich eine Zeit, da wollte der jüngste
Königssohn ausziehen und sein Heil versuchen. Der Vater aber
wollte es nicht zulassen. "Es ist vergeblich", sprach
er, "der wird den goldenen Vogel noch weniger finden als
seine Brüder, und wenn ihm ein Unglück zustößt, so weiß er
sich nicht zu helfen; es fehlt ihm am Besten." Doch endlich,
wie keine Ruhe mehr da war, ließ er ihn ziehen.
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verstrichen
war: had passed
/ anrief: called to
/ lebte...Lüsten: lived
only for his passions / verstrich: passed
/ sein Heil versuchen: have a go at it
/ ihm zustößt: befalls
him / es fehlt ihm am Besten: he lacks the best qualities
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Very dem Walde saß wieder der Fuchs, bat um
sein Leben und erteilte den guten Rat. Der Jüngling war gutmütig
und sagte: "Sei ruhig, Füchslein, ich tue dir nichts
zuleid."
"Es soll dich nicht gereuen",
antwortete der Fuchs, "und damit du schneller fortkommst,
so steig hinten auf meinen Schwanz." Und kaum hatte er sich
aufgesetzt, so fing der Fuchs an zu laufen, und da gings über
Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Als sie zu dem
Dorfe kamen, stieg der Jüngling ab, befolgte den guten Rat und
kehrte, ohne sich umzusehen, in das geringe Wirtshaus ein, wo er
ruhig übernachtete.
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erteilte:
gave
/ gutmütig: good-natured
/ ich tue dir nichts zuleid: I won't hurt you
/ Es soll dich nicht gereuen: You won't be sorry
/ hatte sich aufgesetzt: had mounted
/ über Stock und Stein: over hedge and ditch
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Am andern Morgen, wie er auf das Feld kam, saß
da schon der Fuchs und sagte: "Ich will dir weiter sagen,
was du zu tun hast. Geh du immer geradeaus, endlich wirst du an
ein Schloß kommen, vor dem eine ganze Schar Soldaten liegt,
aber kümmre dich nicht darum, denn sie werden alle schlafen und
schnarchen. Geh mitten durch und geradeswegs in das Schloß
hinein, und geh durch alle Stuben. Zuletzt wirst du in eine
Kammer kommen, wo ein goldener Vogel in einem hölzernen Käfig
hängt. Nebenan steht ein leerer Goldkäfig zum Prunk, aber hüte
dich, daß du den Vogel nicht aus seinem schlechten Käfig
herausnimmst und in den prächtigen tust, sonst möchte es dir
schlimm ergehen."
Nach diesen Worten streckte der Fuchs wieder
seinen Schwanz aus, und der Königssohn setzte sich auf. Da
gings über Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen.
Als er bei dem Schloß angelangt war, fand er alles so, wie der
Fuchs gesagt hatte. Der Königssohn kam in die Kammer, wo der
goldene Vogel in einem hölzernen Käfig saß, und ein goldener
stand daneben. Die drei goldenen Äpfel aber lagen in der Stube
umher.
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befolgte:
followed
/ Geh du immer geradeaus: Just keep going straight ahead
/ Schar: troop
/ zuletzt: finally
/ zum Prunk: for display
/ hüte dich: take care
/ tust: put
/ möchte: may
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Da dachte er, es wäre
lächerlich, wenn er den schönen Vogel in dem gemeinen und häßlichen
Käfig lassen wollte, öffnete die Tür, packte ihn und setzte
ihn in den goldenen. In dem Augenblick aver tat der Vogel einen
durchdringenden Schrei. Die Soldaten erwachten, stürzten herein
und führten ihn ins Gefängnis.
Den andern Morgen wurde er vor ein Gericht gestellt und, da
er alles bekannte, zum Tode verurteilt. Doch sagte der König,
er wollte ihm unter einer Bedingung das Leben schenken, wenn er
ihm nämlich das goldene Pferd brächte, welches noch schneller
liefe als der Wind, und dann sollte er obendrein zur Belohnung
den goldenen Vogel erhalten.
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tat
einen durchdringenden Schrei:
gave a piercing cry
/ stürzten herein: rushed in
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Beantworten
Sie die folgenden Fragen!
1. Wie erging es dem zweiten
Sohn?
2. Warum wollte der Vater dem dritten Sohn zuerst
nicht erlauben, den goldenen Vogel zu suchen?
3. Wie benahm sich der Jüngling dem Fuchs
gegenüber?
4. Wie kam der Jüngling zu dem Dorf, wo die beiden
Wirtshäuser standen?
5. In welches Wirtshaus kehrte er
ein?
6. Was sagte ihm der Fuchs am andern
Morgen?
7. Was sollte der Königssohn
nicht tun?
8. Wie kam er zu dem Schloß, wo der goldene Vogel
war?
9. Was geschah, als der Königssohn den Vogel in den
goldenen Käfig steckte?
10. Wohin wurde der Königssohn
geführt?
11. Was sprach das Gericht über ihn
aus?
12. Unter welcher Bedingung wollte der König dem Jüngling
das Leben schenken?
13. Was sollte er zur Belohnung erhalten?
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ablassen
(läßt ab; ie, a) -
stop, leave off
Abschied nehmen (nimmt; a, genommen) von
- take leave of
ausrichten - do, accomplish
baden - bathe
dulden - endure, tolerate
eilen - hurry
ergreifen (ergriff, ergriffen) - seize, grasp
festhalten (hält fest; ie, a) - hold fast; keep in
|
custody
flehentlich -
imploring(ly)
folgen (w/ dat.) - follow
fortführen - lead
away
gelingen (a, u) (dat.) - succeed
graben (ä; u, a) - dig
zum Fenster hinaussehen (ie; a,
e) - look out the window
r Kuß (¨-sse) - kiss
|
s
Leder - leather
s Mitleid - sympathy
r Mut - courage; spirit, heart
r Sattel (¨) - saddle
schaufeln - shovel
verdienen - earn
wiehern - neigh
zustande bringen (brachte, gebracht) - bring about
|
|
Der Königssohn machte sich auf den Weg,
seufzte aber und war traurig, denn wo sollte er das goldene
Pferd finden? Da sah er auf einmal seinen alten Freund, den
Fuchs, auf dem Wege sitzen. "Siehst du", sprach der
Fuchs, "so ist es gekommen, weil du mir nicht gehört hast.
Doch sei guten Mutes, ich will mich deiner annehmen und dir
sagen, wie du zu dem goldenen Pferd gelangst. Du mußt
geradesweges fortgehen, so wirst du zu einem Schloß kommen, wo
das Pferd im Stalle steht. Vor dem Stall werden die Stallknechte
liegen, aber sie werden schlafen und schnarchen, und du kannst
geruhig das goldene Pferd herausführen. Aber eins mußt du in
acht nehmen: leg ihm den schlechten Sattel von Holz und Leder
auf und ja nicht den goldenen, der dabeihängt, sonst wird es
dir schlimm ergehen."
Dann streckte der Fuchs seinen Schwanz aus,
der Königssohn setzte sich auf, und es ging fort über Stock
und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Alles traf so ein,
wie der Fuchs gesagt hatte. Er kam in den Stall, wo das goldene
Pferd stand. Als er ihm aber den schlechten Sattel auflegen
wollte, so dachte er: "Ein so schönes Tier wird verschändet,
wenn ich ihm nicht den guten Sattel auflege, der ihm gebührt."
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mir
nicht gehört hast: did
not obey me / sei guten Mutes: be of good cheer
/ mich deiner annehmen: take care of you (deiner is
the genitive singular of du) / Stallknechte: stable hands
/ geruhig: perfectly calmly
/ eins: one thing / in acht nehmen: mind
/ leg ihm...auf: put...on him
/ traf so ein, wie: happened just as
/ verschändet: spoiled
/ der ihm gebührt: which is fitting to him
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Kaum aber berührte der goldene Sattel das
Pferd, so fing es an laut zu wiehern. Die Stallknechte
erwachten, ergriffen den Jüngling und warfen ihn ins Gefängnis.
Am andern Morgen wurde er vom Gerichte zum Tode verurteilt, doch
versprach ihm der König das Leben zu schenken und dazu das
goldene Pferd, wenn er die schöne Königstochter vom goldenen
Schlosse herbeischaffen könnte.
Mit schwerem Herzen machte sich der Jüngling
auf den Weg, doch zu seinem Glücke fand er bald den treuen
Fuchs. "Ich sollte dich nur deinem Unglück überlassen",
sagte der Fuchs, "aber ich habe Mitleiden mit dir und will
dir noch einmal aus deiner Not helfen. Dein Weg führt dich
gerade zu dem goldenen Schlosse. Abends wirst du anlangen, und
nachts, wenn alles still ist, dann geht die schöne Königstochter
ins Badehaus, um da zu baden. Und wenn sie hineingeht, so spring
auf sie zu und gib ihr einen Kuß, dann folgt sie dir, und du
kannst sie mit dir fortführen. Nur dulde nicht, daß sie vorher
von ihren Eltern Abschied nimmt, sonst kann es dir schlecht
ergehen."
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herbeischaffen:
bring...here
/ überlassen: leave...to
/ Badehaus: bathing house
/ spring auf sie zu: jump at her
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Dann streckte der
Fuchs seinen Schwanz, der Königssohn setzte sich auf, und so
ging es über Stock und Stein,
daß die Haare im Winde pfiffen. Als er beim goldenen Schloß
ankam, war es so, wie der Fuchs gesagt hatte. Er wartete bis um
Mitternacht, als alles in tiefem Schlaf lag und die schöne
Jungfrau ins Badehaus ging, da sprang er hervor und gab ihr
einen Kuß. Sie sagte, sie wollte gerne mit ihm gehen, bat ihn
aber flehentlich und mit Tränen, er möchte ihr erlauben,
vorher von ihren Eltern Abschied zu nehmen. Er widerstand anfänglich
ihren Bitten, als sie aber immer mehr weinte und ihm zu Fuß
fiel, so gab er endlich nach. Kaum aber war die Jungfrau zu dem
Bette ihres Vaters getreten, so wachte er und alle anderen, die
im Schloß waren, auf, und der Jüngling wurde festgehalten und
ins Gefängnis gesetzt.
Am andern Morgen sprach der König zu ihm:
"Dein Leben ist verwirkt, und du kannst bloß Gnade finden,
wenn du den Berg abträgst, der vor meinen Fenstern liegt, und
über welchen ich nicht hinaussehen kann, und das mußt du
binnen acht Tagen zustande bringen. Gelingt dir das, so sollst
du meine Tochter zur Belohnung haben."
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er
möchte ihr erlauben: to
allow her
/ anfänglich: at first
/ verwirkt: forfeited
/ abträgst: remove
/ binnen: within
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Der Königssohn fing an, grub und schaufelte,
ohne abzulassen. Als er aber nach sieben Tagen sah, wie wenig er
ausgerichtet hatte, und alle seine Arbeit so gut wie nichts war,
so fiel er in große Traurigkeit und gab alle Hoffnung auf. Am
Abend des siebenten Tags aber erschien der Fuchs und sagte:
"Du verdienst nicht, daß ich mich deiner annehme, aber geh
nur hin und lege dich schlafen, ich will die Arbeit für dich
tun."
Am andern Morgen, als er erwachte und zum Fenster hinaussah,
so war der Berg verschwunden. Der Jüngling eilte vor Freude zum
König und meldete ihm, daß die Bedingung erfüllt wäre, und
der König mochte wollen oder nicht, er mußte Wort halten und
ihm seine Tochter geben.
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mich
deiner annehme: take care of you (deiner is the
genitive form of du) / Wort halten: keep his word
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Beantworten
Sie die folgenden Fragen!
1. Warum seufzte der
Königssohn?
2. Wozu riet ihm der Fuchs?
3. Was geschah, als er dem goldenen Pferde den
goldenen Sattel auflegte?
4. Unter welcher Bedingung wollte ihm der König das
Leben schenken?
5. Was sagte
ihm sein Freund, der Fuchs?
6. Warum ging die Jungfrau nicht mit dem Königs-sohn?
7. Was mußte der Jüngling diesmal machen, um sein Leben zu retten?
8. Wer half ihm, den Berg abzutragen?
9. Was bekam der Königssohn als Belohnung?
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abhauen
(hieb ab, abgehauen) -
cut off
r Abschied (-e) - farewell; dismissal
allerhand - all kinds of
alsbald - at once, immediately
aufhängen - hang; hang up
aufhören - stop (doing some thing)
sich befinden (a, u) - be; be situated
r Beistand - support, assistance Beistand leisten
- give assis- tance
belohnen - reward
bestimmen
- determine; appoint
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bezahlen - pay (for)
r Bräutigam (-e) - fiancé; bridegroom
brennen (brannte, gebrannt) - burn
einwilligen - consent to; permit
r Erbe (-n, -n) - heir
hinrichten - execute, put to death
sich hüten - take care, be on one's guard
imstande sein - be capable of, be able to
loskaufen
- ransom
rückwärts - backwards
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r Schatz (¨-e) - treasure
s Tageslicht - daylight
unerhört - unheard-of, outra- geous
verraten (ä; ie, a) - betray
vertauschen - exchange
verwundert - astonished
r Wächter (-) - guard
zahlen - pay
r Zauber - magic
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Nun zogen die beiden zusammen fort, und es währte
nicht lange, so kam der treue Fuchs zu ihnen. "Das Beste
hast du zwar", sagte er, "aber zu der Jungfrau aus dem
goldenen Schloß gehört auch das goldene Pferd."
"Wie soll ich das bekommen?" fragte
der Jüngling.
"Das will ich dir sagen",
antwortete der Fuchs. "Zuerst bring dem Könige, der dich
nach dem goldenen Schlosse geschickt hat, die schöne Jungfrau.
Da wird unerhörte Freude sein, sie werden dir das goldene Pferd
gerne geben und werden dir's vorführen. Setz dich alsbald auf
und reiche allen zum Abschied die Hand herab, zuletzt der schönen
Jungfrau, und, wenn du sie gefaßt hast, so zieh sie mit einem
Schwung hinauf und jage davon. Und niemand ist imstande, dich
einzuholen, denn das Pferd läuft schneller als der Wind."
|
zogen
fort: departed / es währte nicht lange, so: it was not long until
/ vorführen: bring / Setz dich auf: Mount
/ Schwung: swing / jage davon: race away
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Alles wurde glücklich
vollbracht und der Königssohn führte die schöne Jungfrau auf
dem goldenen Pferde fort. Der Fuchs blieb nicht zurück und
sprach zu dem Jüngling: "Jetzt will ich dir auch zu dem
goldenen Vogel verhelfen. Wenn du nahe bei dem Schlosse bist, wo
sich der Vogel befindet, so
laß die Jungfrau absitzen, und ich will sie in meine Obhut
nehmen. Dann reit mit dem goldenen Pferd in den Schloßhof. Bei
dem Anblick wird große Freude sein, und sie werden dir den
goldenen Vogel herausbringen. Wie du den Käfig in der Hand
hast, so jage zu uns zurück und hole dir die Jungfrau wieder
ab."
Als der Anschlag geglückt war und der Königssohn
mit seinen Schätzen heimreiten wollte, so sagte der Fuchs:
"Nun sollst du mich für meinen Beistand belohnen."
"Was verlangst du dafür?" fragte
der Jüngling.
"Wenn wir dort in den Wald kommen, so
schieß mich tot und hau mir Kopf und Pfoten ab."
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verhelfen:
help / absitzen: dismount
/ sie in meine Obhut nehmen: take her under my wings
/ bei dem Anblick: at the sight
/ jage zurück: race back
/ Als der Anschlag geglückt war: When the plan had
succeeded
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"Das wäre eine schöne
Dankbarkeit", sagte der Königssohn, "das kann ich dir
unmöglich gewähren."
Der Fuchs sprach: "Wenn du es nicht tun
willst, so muß ich dich verlassen. Ehe ich aber fortgehe, will
ich dir noch einen guten Rat geben. Vor zwei Stücken hüte
dich: kauf kein Galgenfleisch und setze dich an keinen
Brunnenrand." Damit lief er in den Wald.
Der Jüngling dachte: "Das ist ein
wunderliches Tier, das seltsame Grillen hat. Wer wird
Galgenfleisch kaufen! Und die Lust, mich an einen Brunnenrand zu
setzen, ist mir noch niemals gekommen."
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gewähren:
grant
/ Vor zwei Stücken hüte dich: Take care not to do two
things
/ Galgenfleisch: gallows meat
/ wunderlich: strange
/ Grillen hat: worries unnecessarily
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Er ritt mit der
schönen Jungfrau weiter, und sein Weg führte ihn wieder durch
das Dorf, in welchem seine beiden Brüder geblieben waren. Da
war großer Auflauf und Lärmen, und als er fragte, was da vor wäre,
hieß es, es sollten zwei Leute aufgehängt werden. Als er näher
hinzukam, sah er, daß es seine Brüder waren, die allerhand
schlimme Streiche verübt und all ihr Gut vertan hatten. Er
fragte, ob sie nicht könnten frei gemacht werden. "Wenn
Ihr für sie bezahlen wollt", antworteten die Leute,
"aber was wollt Ihr an die schlechten Menschen Euer Geld hängen
und sie loskaufen." Er besann sich aber nicht, zahlte für
sie, und als sie frei gegeben waren, so setzten sie die Reise
gemeinschaftlich fort. |
Auflauf
und Lärmen: uproar / was da vor wäre: what was going on
/ hieß es: it was reported
/ näher hinzukam: came closer
/ die allerhand...vertan hatten: who had done all sorts of
mean tricks and had wasted their possessions / besann sich nicht: didn't think
/ gemeinschaftlich: together
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Sie kamen in den
Wald, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, und da es darin kühl
und lieblich war und die Sonne heiß brannte, so sagten die
beiden Brüder: "Laßt uns hier an dem Brunnen ein wenig
ausruhen, essen und trinken." Er willigte ein, und während
des Gesprächs vergaß er sich, setzte sich an den Brunnenrand
und versah sich nichts Arges. Aber die beiden Brüder warfen ihn
rückwärts in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und
den Vogel, und zogen heim zu ihrem Vater.
"Da bringen wir nicht bloß den goldenen
Vogel", sagten sie. "Wir haben auch das goldene Pferd
und die Jungfrau von dem goldenen Schlosse erbeutet." Da
war große Freude, aber das Pferd, das fraß nicht, der Vogel,
der pfiff nicht, und die Jungfrau, die saß und weinte.
|
versah
sich: expected / erbeutet: captured
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Der jüngste Bruder war aber nicht
umgekommen. Der Brunnen war zum Glück trocken, und er fiel auf
weichen Moos, ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder
heraus. Auch in dieser Not verließ ihn der treue Fuchs nicht,
kam zu ihm herabgesprungen und schalt ihn, daß er seinen Rat
vergessen hätte. "Ich kann's aber doch nicht lassen",
sagte er. "Ich will dir wieder an das Tageslicht
helfen." Er sagte ihm, er sollte seinen Schwanz anpacken
und sich fest daran halten, und zog ihn dann in die Höhe.
"Noch bist du nicht aus aller
Gefahr", sagte der Fuchs. "Deine Brüder waren deines
Todes nicht gewiß und haben den Wald mit Wächtern umstellt.
Die sollen dich töten, wenn du dich sehen ließest." Da saß
ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Jüngling die
Kleider und gelangte auf diese Weise an des Königs Hof.
|
trocken:
dry / Moos: moss
/ kam herabgesprungen: came jumping down
/ schalt: scolded / Ich kanns...nicht lassen: But I can't help it
/ anpacken: grab hold of
/ umstellt: surrounded
/ auf diese Weise: in this way
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Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fing an
zu pfeifen, das Pferd fing an zu fressen, und die schöne
Jungfrau hörte auf zu weinen. Der König fragte verwundert:
"Was hat das zu bedeuten?"
Da sprach die Jungfrau: "Ich weiß es
nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so fröhlich. Es
ist mir, als wäre mein rechter Bräutigam gekommen." Sie
erzählte ihm alles, was geschehen war, obgleich die andern Brüder
ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verraten würde.
Der König hieß alle Leute vor sich bringen,
die in seinem Schloß waren; da kam auch der Jüngling als ein
alter Mann in seinen Lumpenkleidern, aber die Jungfrau erkannte
ihn gleich und fiel ihm um den Hals. Die gottlosen Brüder
wurden ergriffen und hingerichtet, er aber wurde mit der schönen
Jungfrau vermählt und zum Erben des Königs bestimmt.
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Was
hat das zu bedeuten?
- What does that mean?
/ angedroht: threatened with
/ hieß: commanded that
/ Lumpenkleidern: shabby clothes
/ wurde vermählt: was married
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Aber wie ist es
dem armen Fuchs ergangen? Lange danach ging der Königssohn
einmal wieder in den Wald, da begegnete ihm der Fuchs und sagte:
"Du hast nun alles, was du dir wünschen kannst; aber mit
meinem Unglück will es kein Ende nehmen, und es steht doch in
deiner Macht, mich zu erlösen." Und abermals bat er
flehentlich, er möchte ihn totschießen und ihm Kopf und Pfoten
abhauen. Also tat er's, und kaum war es gescheh- en, so
verwandelte sich der Fuchs in einen Menschen, und war niemand
anders als der Bruder der schönen Königstochter, der endlich
von dem Zauber, der auf ihm lag, erlöst war. Und nun fehlte
nichts mehr zu ihrem Glück, solange sie lebten. |
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Beantworten
Sie die folgendedn Fragen!
1. Was machte der Königssohn, um auch die schöne
Jungfrau zu behalten?
2. Wie bekam er auch den goldenen Vogel, ohne das
goldene Pferd zu verlieren?
3. Was für eine Belohnung verlangte der Fuchs von
dem Königssohn?
4. Vor welchen zwei Dingen sollte sich der Jüngling
hüten?
5. Was für Galgenfleisch kaufte er
trotzdem?
6. Was geschah, als der dritte Königssohn sich an
den Brunnenrand gesetzt hatte?
7. Wie zeigten Vogel, Pferd und Jungfrau, daß sie
traurig waren?
8. Wie kam der Jüngling aus dem Brunnen
heraus?
9. Wie kam der dritte Königssohn unerkannt in das Schloß seines
Vaters?
10. Wer erkannte zuerst den jüngsten
Königssohn?
11. Wie erging es den beiden
Brüdern?
12. Warum schoß der Königssohn den Fuchs tot?
13. In was wurde der tote Fuchs
verwandelt?
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Schreiben Sie über die Entwicklung des Themas "Tiere leisten
Beistand" in diesem Märchen und in der "weißen
Schlange"!
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Getting with Grammar
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The past
subjunctive II of sein-verbs (sein, bleiben,
and intransitive verbs of change of place or state) looks like
this:
ich wäre gegangen
du wärest gegangen
er, sie, es wäre gegangen
wir wären gegangen
ihr wäret gegangen
sie, Sie wären gegangen
If you want to construct a sentence containing an unreal
condition in the past, you will need to use past subjunctive II
forms. Here is such a sentence, using both a haben-verb
and a sein-verb: Wenn du mich eingeladen hättest, wäre
ich natürlich gekommen. (If you had invited me, I would
have come, of course.)
I can't. You
do it!
Du is often used with the familiar singular
imperative to indicate a contrast with another person, e.g.,
Geh du mal zuerst hinein. Ich komme nach. ("You
go in first. I'll follow.")
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Quite a few German verbs,
of which the following are among the most important, take dative
objects:
antworten - Antworte mir doch!
befehlen -Läßt du dir von ihm befehlen?
begegnen - Wo seid ihr ihnen begegnet?
danken - Ich danke dir.
drohen - Er droht nur mit Worten.
fehlen - Ihm fehlt nichts.
folgen - Die Ratten folgten ihm
gefallen - Gefällt Ihnen das?
gehören - Wem gehört das?
glauben - Wir glauben es ihm nicht.
helfen - Kannst du mir helfen?
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The following declension illustrates weak,
mixed, and strong endings
of adjectives modifying neuter
singular nouns:
Nominative
das deutsche Bier
ein deutsches Bier
deutsches Bier
Accusative
das deutsche Bier
ein deutsches Bier
deutsches Bier
Dative
dem deutschen Bier
einem deutschen bier
deutschem Bier
Genitive
des deutschen Biers
eines deutschen Biers
deutschen Biers
Against Reason?
Widerstehen "to resist"), widersprechen
("to contradict"), and widerfahren
("to befall") take dative objects, although
the preposition wider ("against") takes
an accusative object.
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All
appears without an adjective ending only before der-words
and ein-words. |
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